Dienstag, 7. Februar 2012

Über die Generation der „guten, alten Zeit“

In den letzten Monaten ist viel über Missbrauch in Kinderheimen an die Öffentlichkeit gelangt. Erst waren es die katholischen Heime, deren Kommission nicht aus unabhängigen Leuten besteht und meines Erachtens eine Heuchelei ist, mit der die Kirche Mal wieder versucht uns zu verarschen. Dann kamen die Missbrauchsfälle aus Heimen der Stadt Wien zu Tage. Und schließlich, erst vor kurzem, die medizinischen Versuche an Weisenkindern.

All dies hat eine gemeinsame Komponente. Diese ist die Zeit. Es fand jeweils in den 50er und 60er Jahren statt. In der „guten, alten Zeit“, wie so manch einer sagt.

Immer wieder höre ich ältere Damen und Herren sagen, wie schön und um wie viel besser es doch früher war. Ja, in letzter Zeit liest man immer wieder, wie Realitätsfern diese Aussagen sind. Diese „gute, alte Zeit“, wie diese engstirnigen Leute meinen, war alles andere als gut. Es war eine Zeit des Missbrauchs, der Menschenrechtsverletzungen und der Einschränkungen, sowie eine Zeit mit ehemaligen NSDAP-Mitgliedern und SSlern im Parlament.

Weiters gab es damals noch eine eingeschränkte Reisefreiheit, schlechte Kommunikationsmittel, wenige und kaum unabhängige Nachrichtenmedien und –Formate und so weiter. Zusätzlich glauben auch noch diese Leute aus der „guten, alten Zeit“, dass meine Generation deren Schulden begleicht, ihre Pensionen finanzieren, sie pflegen und das man uns auch noch als Unmoralisch, Dekadent, dumm und Faul bezeichnen darf. Verdammt, meine Generation, die Leute Anfang und Mitte Zwanzig, macht jede Menge unbezahlte Praktika, engagiert sich ehrenamtlich im Karitativen- und/oder Gesundheitsbereich, machen schlecht bezahlte Jobs, die wir hassen, und, was das Wichtigste ist sowie den größten Unterschied ausmacht, wir stehen gegen Ungerechtigkeiten ein.

Deshalb frage ich: Wer aus der Generation der „guten, alten Zeit“ hat zwischen Zwanzig und Dreißig unbezahlte Praktika gemacht oder sich ehrenamtlich engagiert? Oder hat Beides gemacht? Wer dieser Möchtegernmoralapostel hat in der Jugend gleichzeitig gearbeitet, ein unbezahltes Praktika gemacht und ist auch noch einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgegangen?

Ihr braucht mir nicht zu antworten, denn ich kenne die Antwort schon. Ich weis, dass kaum bis gar keiner von euch ehrenamtlich Aktiv war, dass niemand von euch unbezahlte Praktika gemacht hat und dass, abgesehen von den Hippies, keiner von euch gegen Ungerechtigkeiten, gegen Menschenverachtung oder gegen Krieg eingetreten ist.

Also, was lernen wir daraus? Hört mit eurer Heuchelei auf!

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